Der Alptraum: Der Galgo ist weg!

Wer in sozialen Netzwerken unterwegs ist und auch nur minimal in Kreisen von Galgo Haltern vernetzt ist, der wird nicht lange suchen müssen, bis er auf die immer häufiger werdenden Suchmeldungen für entlaufene Galgos stößt. Nahezu wöchentlich werden Aufrufe geteilt, weil wieder ein Galgo abgängig ist und allzu oft bezahlen die Hunde dies mit ihrem Leben.
Wir möchten hier daher noch mal darauf hinweisen, wie wichtig es ist, die Hunde richtig zu sichern und wie es vermieden werden kann, dass die Hunde entlaufen.

Gerettet, um zu sterben?

Ja, provokant gesagt könnte man es genau so ausdrücken.
In der Regel wird davon ausgegangen, dass die Hunde, wenn sie nach Deutschland kommen, den Weg in ein besseres Leben antreten. Ein Leben ohne Hunger, ohne Schmerzen und ohne Angst, doch immer häufiger wird die Reise in das neue, schöne Leben zu einer Reise in den Tod. Einen unnötigen Tod, denn mit etwas Umsicht könnte ein Großteil dieser Vorfälle vermieden werden.
Wie kommt es also dazu, dass die Hunde, oft nur wenige Wochen, Tage oder gar Stunden nach ihrer Ankunft in Deutschland, entlaufen und oft nur verletzt oder gar tot wieder aufgefunden werden?

Hund weg -so passiert es

Vorweg möchten wir klar sagen, niemand ist perfekt, passieren kann immer etwas und oft kann man nicht so blöd denken, wie es dann kommt. Unfälle passieren und zwar jedem, ob langjähriger, erfahrener Galgo Halter oder Hundeanfänger.
Aber man kann viele Risiken im Vorfeld ausschließen und so dafür sorgen, dass es nicht dazu kommt, dass der Hund entlaufen kann.
Nicht immer kommen die Umstände, die dazu geführt haben, dass der Hund entwischen konnte, ans Tageslicht. Oft wird ein großes Geheimnis darum gemacht, weil alle Beteiligten wissen, dass dort etwas gründlich schiefgelaufen ist und man keinen öffentlichen „Shitstorm“ riskieren möchte.
Über die Ursachen zu sprechen, die dazu führen, dass die Hunde entlaufen ist aber unserer Ansicht nach enorm wichtig. Nicht um Vorwürfe und Schuldzuweisungen auszusprechen, sondern damit andere aus den Fehlern lernen können und ihnen und ihren Hunden dieses Schicksal erspart bleibt.
Werfen wir also einen Blick auf die Situationen, die oft dazu führen, dass der Hund entläuft:

  • Offene Fenster und Türen
    Der Hund entwischt durch die Haustür, wenn es klingelt, er läuft durch ein nicht richtig geschlossenes Gartentor weg, er springt aus einem geöffneten Fenster oder aus dem Kofferraum, bevor der Halter die Leine greifen kann.
    Diese Situationen kommen vor allem in den ersten Stunden, Tagen und Wochen häufig vor, aber es ist sehr einfach, ein Entlaufen in diesen Situationen zu vermeiden.
    Der Hund gehört in der ersten Zeit auch im Garten immer an die Schleppleine. So kann er sein neues Zuhause in aller Ruhe erkunden und der Halter kann den Hund kennenlernen. Macht er Anstalten, trotz ausreichender Höhe den Zaun zu überwinden? Versucht er, sich unter dem Zaun durchzuquetschen oder zu budeln?
    Auf Komposttonnen und andere Objekte, die nah am Zaun stehen und die der Hund als „Sprungbrett“ zur Überwindung des Zauns nutzen könnte, sollte bereits die Vorkontrolle hingewiesen haben. Hat sie es nicht getan, ist es jetzt an der Zeit, alles wegzuräumen, was der Hund nutzen könnte, um über den Zaun zu springen.
    Für die erste Zeit (mindestens) gilt: geht das Gartentor auf, ist der Hund nicht frei im Garten. Er wird entweder ins Haus gebracht oder an der Schleppleine gut festgehalten.  Für offene Fenster und die geöffnete Haustür gilt dasselbe. Die Hunde springen nicht selten auch aus höheren Stockwerken aus dem Fenster oder quetschen sich am Menschen vorbei, wenn die Tür geöffnet wird. Fenster oder Türen sollten daher erst dann geöffnet werden, wenn der Hund sicher angeleint ist, auch wenn es nur der Postbote ist, der klingelt oder man nur eben schnell lüften will.
    Auch im Kofferraum muss der Hund gesichert sein, ehe die Klappe aufgeht.
    Am besten und sichersten reist er in einer Box, ansonsten gilt, einer hält den Hund vom Fahrgastraum her an der Leine, während der andere die Kofferraumklappe öffnet und die Leine dann übernimmt. Ist man allein, kann die Leine auch kurz im Auto festgebunden werden.
  • Der Halter verliert die Leine, stolpert oder stürzt
    Auch das ist ein Szenario, das sehr häufig dazu führt, dass die Hunde weglaufen. Ausrutschen und hinfallen kann wirklich jedem passieren, ob mit Hund oder ohne. Gerade Neuankömmlinge, aber auch Hunde, die schon lange bei ihrem Halter sind, erschrecken sich dadurch oft und sind über alle Berge.
    Bei den Galgos kommt hinzu, dass sie nicht nur sehr schnell, sondern auch extrem reaktionsschnell sind. Ein plötzlicher Satz, ein unerwartetes Vorschnellen, weil der Hund sich erschrocken hat, etwas gesehen hat oder einfach nur seine dollen fünf Minuten hat und schon ist es passiert: die Leine fällt einem aus der Hand und der Hund ist auf und davon.
    Hier gibt es eine ganz einfache Lösung: Ein Bauchgurt oder Jogginggurt. An diesem Gurt werden die Leinen befestigt und auch wenn man hinfällt oder die Leine loslässt, ist der Hund optimal gesichert.
    Der praktische Nebeneffekt ist, dass man im Zweifelsfall auch mal eben die Hände frei hat, um das Auto aufzumachen, einen Anruf zu beantworten oder was auch immer.
    Wir empfehlen den CaniCross Gurt von Uwe Radant, da er durch die Beinschlaufen und seinen guten Sitz dafür sorgt, dass es einem nicht das Rückgrat bricht, wenn der Hund wirklich mal in die Leine springt.
  • Der läuft schon nicht weg, der bleibt immer bei mir
    Diese Art der Fehleinschätzung hat schon viele Hunde das Leben gekostet. In der Tat ist es so, dass die meisten Galgos in der ersten Zeit förmlich an ihren neuen Haltern kleben. Das wird oft als „Bindung“, aber auch als „Dankbarkeit“ oder „Vertrauen“ ausgelegt und vor allem unerfahrene Halter gehen oft davon aus, dass der Hund auch ohne Leine selbstverständlich bei ihnen bleiben wird.
    Eine Bindung zwischen Hund und Halter und das dazu notwendige Vertrauen entstehen aber nicht innerhalb weniger Tage, sondern brauchen viel Zeit um zu wachsen und auch dann hält die größte Bindung den Hund im Zweifelsfall nicht vom Jagen ab.
    Die Mär von der Dankbarkeit, die sich hartnäckig hält, möchten wir an dieser Stelle genau so vom Tisch fegen wie den Irrglauben, wenn man dem Hund dahingehend vertraut, dass man einfach mal eben die Leine abmacht, wird der das durch ein ebensolches Vertrauen beantworten, immer brav bei seinem Halter bleiben und natürlich nie wieder einen Hasen jagen gehen. Aus diesen romantisierten Vermenschlichungen lässt sich ein Hollywood-Blockbuster basteln, abseits der Leinwand setzt man damit eher ganz unromantisch das Leben seines Hundes aufs Spiel.
    Warum also bleibt der Hund gerade in der ersten Zeit so scheinbar „gehorsam“, „dankbar“ und „treu“ bei seinem Halter? Die Antwort ist einfach: die Hunde sind nicht dumm.
    In ein völlig neues Lebensumfeld geworfen und entsprechend verunsichert, halten sie sich in sehr vielen Fällen an das erste und einzige, was sie kennen und einigermaßen einschätzen können: ihren neuen Menschen. Der ist nett, schlägt und schreit nicht und tut auch sonst nichts, um den Hund zu vertreiben und gibt vor allen Dingen regelmäßig Futter. Den will man/Hund erstmal nicht verlieren, denn sicher ist sicher und es geht nach wie vor ums Überleben. Je mehr der Hund jedoch ankommt, desto selbstbewusster und sicherer wird er und in den allermeisten Fällen steht früher oder später der erste Jagdausflug an, ganz nach dem Motto „das hat er ja noch nie gemacht“. Und diese Jagdausflüge gehen längst nicht immer glimpflich ab.

Hund ist Hund, oder?

Ob Galgo freilaufend im Wald oder Retriever, Dackel, Münsterländer oder Weimaraner, das macht doch keinen Unterschied, oder? Diese These hört man immer wieder und nicht zuletzt ist doch auch Galgo auch einfach nur ein Hund und alle anderen dürfen ja auch mal durch den Wald rennen. Oder?
Hund ist Hund und Galgo ist Galgo, sollte man da lieber sagen.
Galgos sind Sichtjäger und sie sind in ihrem Verhalten nicht mit den typischen Jagdhunderassen zu vergleichen, die in der Regel leichter dahingehend zu trainieren sind, ihrem Jagdtrieb nicht nachzugeben.
Anders als nahezu alle anderen Jagdhundrassen sind die Galgos nicht dazu gezüchtet worden, bei der Jagd eng mit dem Menschen zusammenzuarbeiten.
Sie sollen vielmehr selbstständig jagen und nach Beendigung der Jagd zum Ausgangspunkt zurückkehren, mit oder ohne Beute, sprich der Hund dreht um und kommt zurück, wenn der den Hasen entweder gefangen hat oder wenn er ihn verloren hat. Den Galgo als Jagdhund zu bezeichnen und ihn so mit den anderen Jagdhunderassen auf eine Stufe zu stellen, ist daher etwas irreführend und kann zu Mißverständnissen und falschen Erwartungen an die Hunde führen. Der Galgo als Hetzjäger jagt nicht MIT seinem Menschen, denn dieser kann bei der Hetzjagd überhaupt nicht mithalten, und ein Hund, der sich bei der Jagd ablenken lässt, indem er sich beispielsweise zurückrufen lässt, gilt eher als untauglich.
Der Hund, der bei Wildsichtung also auf und davon ist, will in den meisten Fällen gar nicht weglaufen, er will nur seinen Job machen. Das ist jedoch in einem engen und zersiedelten Land wie Deutschland mit extremer Gefährdung des Hundes verbunden. Straßen, Schienen, Stacheldrahtzäune und anderes führen zu teils schweren Verletzungen oder gar tödlichen Unfällen. Darüber hinaus ist der Galgo mit seinem dünnen Fell und ohne Unterhautfettgewebe sowieso sehr verletzungsgefährdet und sind sie einmal im Jagdfieber, hält die Hunde auch ein Knochenbruch nicht von der weiteren Verfolgung  der Beute ab.

Also gar kein Freilauf für Galgos?

Der Hund muss also gesichert werden, wenn Türen und Fenster aufstehen, man muss ihn buchstäblich an sich festbinden, wenn man das Haus verlässt und von der Leine darf er mal gleich gar nicht. Das ist aber anstrengend!
Ja, das kann es sein, aber man hat die Verantwortung für ein Lebewesen übernommen und das sollte nie leichtfertig geschehen. Und wer einen alltagstauglichen Familienhund oder Mitlauf-Hund sucht, der nahezu überall abgeleint werden kann, der ist bei einem Sichtjäger wie dem Galgo nicht gut beraten.
Ob der Galgo nun von der Leine kann oder nicht, hängt von dem individuellen Hund ab.
Das Hetzverhalten ist seit Generationen tief in den Genen der Hunde verankert. Nur wenige Hunde zeigen kein Interesse an der Jagd, doch diese Exemplare sind bei einer Rasse, die zur Jagd gezüchtet wird, die absolute Ausnahme.   Durch Training können die Hunde mehr oder weniger abrufbar werden, meist ist ein Ableinen jedoch nur in absolut wildarmen Gegenden möglich.
Fraglich ist außerdem, ob und inwieweit ein Hetzjäger wie der Galgo glücklich ist mit einem andauernden „Antijagdtraining“, dass ihn dazu bringt, etwas zu unterdrücken, was ihn zu einem großen Teil ausmacht.
Wer den Freilauf sehr weit oben auf seiner Prioritätenliste stehen hat und absolut nicht mit einem angeleinten Hund leben kann oder will, der ist mit einem Vollblutjäger wie dem Galgo eher nicht gut beraten und sollte sich für eine andere Rasse entscheiden.
Was den Freilauf angeht, sollte sich jeder Halter, der das Leben und die Gesundheit seines Hundes nicht aufs Spiel setzen will, folgende zwei Fragen ehrlich beantworten, bevor er die Leine abmacht:

  • Kann ich den Hund mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit abrufen, wenn ein Wildtier wie ein Hase oder ein Reh auftaucht?
    oder
  • Kann ich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausschließen, dass hier ein Wildtier aufspringt und ist der Rückruf entsprechend trainiert, so dass der Hund ohne Ablenkung durch Wild kommt, wenn er gerufen wird?

Wer diese Fragen mit „Nein“  beantwortet und die Leine trotzdem abmacht, spielt russisches Roulette mit dem Leben des Hundes und das geht genau so lange gut, bis es schief geht.
Den Preis dafür zahlt letztendlich immer der Hund – oft mit dem kostbarsten was er hat, seinem einzigen Leben.

 

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