Der dankbare Tierschutzhund

Aus dem Elend gerettet, die Wunden versorgt, satt und ohne Schmerzen, mit einem schönen Zuhause, da muss so ein Hund doch dankbar sein, oder? Er wäre es wahrscheinlich, wenn er denn dazu fähig wäre, doch er ist es nicht. Er wird sich uns in den meisten Fällen anschließen und uns Zuneigung zeigen, doch mit Dankbarkeit hat das nichts zu tun, schon allein, weil der Hund im Hier und Jetzt lebt und weder seine Vergangenheit noch das, was wir für ihn getan haben, reflektiert. Er weiß eigentlich noch nicht mal wirklich, was wir für ihn tun, denn er hat keine Vorstellung davon, dass wir Geld für ihn ausgeben, für ihn auf Dinge verzichten und unser Leben rund um ihn ausrichten. Für ihn ist die Sache einfach:  Es ist wie es ist und im besten Fall ist es gut, ganz ohne Dankbarkeit.

Das Thema wäre nun müßig, denn wir vermenschlichen unsere Hunde so sehr und interpretieren so viele Eigenschaften in sie hinein, dass es auf die Dankbarkeit auch nicht mehr wirklich ankommt, doch gerade da gibt es ein Problem und zwar eines, mit dem nicht zu Spaßen ist.

„Der ist so dankbar, der weicht mir nicht von der Seite“. Das ist ein Satz, den man insbesondere von frischgebackenen Windhundbesitzern oft hört.

Handelt es sich bei dem Hund nicht um einen besonders ängstliches oder scheues Tier, ist es in der Tat oftmals faszinierend zu beobachten, dass sich der Hund schon bald nach seiner Ankunft scheinbar sehr eng an seinen neuen Menschen bindet und diesem durch sein Verhalten zu verstehen zu geben scheint, „dich mag ich, hier gefällt es mir und ich bin dir so dankbar, dass du mich gerettet hast, hier bleibe ich“.
Das Problem ist jedoch, nicht nur hat der Hund kein Konzept von Dankbarkeit, er hat auch keines von Retten und Gerettet werden. In Spanien ging es ihm unter Umständen schlecht, vielleicht war er verletzt, vielleicht litt er Hunger und höchstwahrscheinlich hatte er kein weiches, angenehmes Leben auf einer Couch. Dem Hund geht es nun wahrscheinlich deutlich besser, als es ihm in Spanien ging, aber er hat keine Ahnung, dass er gerettet wurde und dankbar dafür sein sollte. Aber warum schließt er sich dann so schnell und so eng an den neuen Besitzer an? Die Antwort ist einfach und ebenso unromantisch: Der Hund ist ein knallharter Opportunist und er nimmt mit, was er kriegen kann. Futter und ein warmer Unterschlupf sind gesichert und werden vom Hund ganz klar mit dem neuen Zweibeiner verknüpft. In einer neuen Umgebung kennt der Hund zunächst also nur eins und das ist sein neues Zuhause und darauf wird er vor allem in der ersten Zeit der Unsicherheit gut aufpassen. Wird es morgen noch was zu essen geben? Wird die warme Schlafstelle morgen noch da sein? Wird der Zweibeiner morgen noch da sein? All das sind Unwägbarkeiten für den Hund, die er in dieser Situation nicht abschätzen kann. Je länger der Hund jedoch da ist, desto sicherer wird er und desto mehr wird er die neuen Annehmlichkeiten als Selbstverständlichkeiten hinnehmen. Das ist eine schöne und erstrebenswerte Entwicklung für den Hund, denn er soll schließlich in der Sicherheit erleben können, dass die Annehmlichkeiten, die er heute genießt, auch morgen noch da sein werden. Gleichzeitig wird der Hund aber mit seiner wachsenden Sicherheit auch seinen Radius erweitern und die Wahrscheinlichkeit ist sehr groß, dass er nun nicht mehr nur Augen und Ohren für den neuen Zweibeiner hat, den er nicht verlieren will, um seine neuen Annehmlichkeiten nicht zu verlieren, sondern auch gern mal seiner eigenen Wege geht. Und schon ist es passiert, der dankbare, anfangs so anhängliche Windhund zeigt auf einmal Jagdtrieb und ist auf und davon, frei nach dem Motto „Das hat er ja noch nie gemacht“.

Im besten Fall kommt der Hund nach mehr oder minder kurzer Zeit wieder, denn weglaufen ist in vielen Fällen tatsächlich nicht sein Bestreben. Er möchte nur mal eben das Reh oder das Kaninchen fangen, um dann mit seinem Halter zufrieden nach Hause zu gehen. Ganz davon abgesehen, dass natürlich auch Wildtiere Respekt verdienen und jagende und hetzende Hunde in Deutschland nicht erlaubt sind, geht dieser Plan in sehr vielen Fällen gründlich nach hinten los. Im schlimmsten Fall endet ein solcher Jagdausflug mit dem Tod des Hundes oder zumindest mit sehr schweren Verletzungen.

Ursächlich dafür, dass es überhaupt immer wieder zu diesen Situationen kommt, ist eben die eingangs erwähnte, vermeintliche Dankbarkeit des Tierschutz Hundes. Diese vermeintliche Dankbarkeit oder auch die vielzitierte Bindung wird einen jagdlich ambitionierten Hund wie den Galgo niemals davon abhalten, seiner Jagdleidenschaft nachzugehen. Einige wenige Ausnahme-Exemplare zeigen in der Tat keinerlei Interesse an Wild und andere lassen sich nach intensivem Training auch vom Wild abrufen. Das funktioniert in sehr vielen Fällen jedoch nur dann, wenn der Mensch das Wild vor dem Hund sieht oder die Jagd in einer sehr frühen Sequenz unterbrechen kann. Ist der Hund einmal im Hetzmodus, lassen sich nur noch die wenigsten Hunde zurückrufen. Schon allein aus der Entwicklung der Rasse ist dies selbsterklärend, denn Hunde, die sich während der Jagd von Außenreizen ablenken lassen, sind nicht erwünscht und daher im Genpool wohl eher seltener anzutreffen.

Vertraut also bitte nicht auf die angebliche Dankbarkeit eures Galgos und lasst den Hund erst nach einem angemessenen Rückruftraining und in wildarmen Gebieten frei laufen. Für den Anfang, und das bedeutet durchaus nicht nur die ersten Tage oder Wochen, sondern Monate und bei manchen Hunden sogar Jahre, sollte der Hund ordentlich gesichert sein mit einem gut passenden Sicherheitsgeschirr oder Halsband und der Freilauf sollte auf ein umzäuntes Gelände beschränkt bleiben, während gleichzeitig mit der Schleppleine im freien Gelände der Rückruf geübt wird.

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